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Abriss von Erhaltenswerten

Was ist es Wert erhalten zu werden?

Was beim Abriss bestehender Bausubstanz vertretbar ist und wo die Schmerzgrenze bei der Beseitigung alter Bauwerke überschritten wird, ist sicherlich von Einzelfall zu Einzelfall sehr unterschiedlich und nicht immer einfach zu entscheiden. In den letzten Jahren fielen allein in Stendal einige ältere Bauwerke dem Abriss zum Opfer, die eigentlich durchaus erhaltenswert gewesen wären. So die Werkgebäude der alten Hansa-Brauerei am Nordwall im Jahre 2009 und im Frühjahr 2010 dann das alte Speicher- und Lagergebäude in der Scharnhorststraße in der Nähe des Gertraudenstifts. Zwei Gebäude mit einer wechselvollen Geschichte. Ein Fachwerkgebäude in der Bismarckstraße soll hier der Vollständigkeit wegen noch erwähnt werden.
Weiterhin ist die Justizvollzugsanstalt in der Hallstraße vom Abriss bedroht, im Schadewachten werden das alte Pressehaus und ein weiteres Haus abgerissen, am Südwall die alte Molkerei. Um Platz für einen neuen Einkaufscenter zu schaffen, müssen noch weitere Gebäude weichen, die auf dem Areal zwischen dem alten Pressehaus im Schadewachten und dem Südwall liegen.


Stellt sich die Frage, was ist es Wert erhalten zu werden?

Was an Bauwerken erhaltenswert ist und was nicht, leitet sich bereits aus dem Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ab. Nach diesem Gesetz sollten Kultur- und Baudenkmale, die von besonderer technisch-wirtschaftlicher (Industriedenkmale) oder städtebaulicher Bedeutung sind, erhalten werden. Darüber hinaus sollte bei einer Baumaßnahme die Umgebung eines Baudenkmals dem Denkmal entsprechend gestaltet werden. Auf die alte Hansa-Brauerei traf beides zu, da diese sowohl ein Industriedenkmal als auch als markantes Bauwerk von städtebaulicher Bedeutung war. Die Justizvollzugsanstalt in der Hallstraße ist ebenfalls nicht nur von städtebaulicher Bedeutung, sondern spiegelt ein Stück Kulturgeschichte wieder.
Eigentümer, in deren Besitz sich ein Industriedenkmal oder ein altehrwürdiges Bauwerk von städtebaulicher Bedeutung befindet, können jedoch von der Erhaltungspflicht entsprechend dem Denkmalschutzgesetz entbunden werden, wenn die Erhaltungsmaßnahmen für den Eigentümer mit einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung verbunden sind.

Im Falle der im Jahre 1906 erbauten und im Januar 2010 geschlossenen Justizvollzugsanstalt in Stendal ist dies zumindest der Fall. Ein Baugutachten ergab, dass die Standfestigkeit des Dachstuhls nicht mehr gewährleistet ist, eine Sanierung jedoch eine runde Million Euro betragen würde. Eine komplette Sanierung der Haftanstalt, um diese den Anforderungen für Inhaftierungen an das 21. Jahrhundert anzupassen, wurde mit rund 7 Millionen Euro veranschlagt. Gelder, die das Land Sachsen-Anhalt nicht aufbringen möchte, um ein leerstehendes Gebäude ohne praktischen Nutzen zu erhalten. Sollte sich kein Nachnutzer mit einem geeigneten Konzept finden, wird die Justizvollzugsanstalt wohl abgerissen.

Justizvollzugsanstalt Stendal
Die Gebäude der leerstehende Justizvollzugsanstalt (JVA) in der Hallstraße von Stendal. Im linken Gebäude befand sich die hauseigene Wäscherei und Küche.
Ansicht der JVA von der Dom-Seite
Ansicht der JVA von der Dom-Seite. In diesem abgewinkelten Gebäudeteil waren einst die Untersuchungshäftlinge einquartiert.

Neben materiellen und finanziellen Aspekten, die für einen Abriss sprechen, gibt es jedoch noch weitere Gesichtspunkte, die mit darüber entscheiden, es zumindest sollten, was an Bauwerken erhaltswert ist. Im Falle der Justizvollzugsanstalt würde das Straßenbild erheblich leiden. Lediglich auf den Anblick der Sicherungsanlagen, wie den Bandstacheldraht, könnten die Anlieger und Besucher von Stendal sicherlich gut und gerne verzichten. Und weiterhin, für die Städte und Gemeinden in der Altmark sind die Einnahmen durch den Tourismus nicht unerheblich. Mit jeden weiteren Abriss eines denkmalgeschützten Bauwerkes wird zugleich auch ein weiterer potentieller touristischer Anziehungspunkt vernichtet. Würde die Justizvollzugsanstalt hingegen nur spartanisch saniert, mit einigen Schautafeln versehen und für Touristen geöffnet, würde ein zusätzlicher touristischer Anziehungspunkt geschaffen. Es dürfte genügend Altmärker und Besucher der Altmark geben, die einmal mit eigenen Augen sehen möchten, wie die Inhaftierten in den letzten 100 Jahren ihren Tage im Gefängnis verlebten.
Sicherlich würden die Einnahmen nicht die Ausgaben für die Sanierung und für die weitere Unterhaltung decken, doch wenn alles nur immer unter finanziellen Gesichtspunkten entschieden wird, dann sind wir wirklich ein armes Land.

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